Brig-Glis feierte – Sie feierten mit.
2015 feierte die Stadt Brig 800 Jahre ihrer erstmaligen urkundlichen Erwähnung. Der ursprüngliche kleine Flecken an der Mündung der Saltina in die Rhone zählt inzwischen 12’700 Einwohner, welche nicht nur die verkehrsgünstige Lage und die hohe Lebensqualität schätzen.
Zu dieser zählt auch eine überaus interessante Geschichte, die mit einem Rundgang durch die Strassen der Innenstadt erkundet werden kann.
Wir laden Sie ein auf diesen kurzen Spaziergang durch bekannte und unbekannte Geschichte und Geschichten.
Lassen Sie sich vom Zauber der Vergangenheit und dem eigentümlichen Charme der Stadt Brig-Glis verführen.
Willkommen in Brig-Glis
Meilensteine
Alfred Gründwald
Alfred Grünwald – 1929 in Brig geboren – war ein Kunstmaler, der bis zu seinem allzu frühen Tod 1966 mit seiner Heimatstadt eng verbunden blieb. In der kurzen Zeit seiner Tätigkeit hat er ein umfangreiches malerisches und zeichnerisches Erbe hinterlassen. Dazu gehören Porträts, Landschaften und Stillleben, aber auch zahlreiche baugebundene Arbeiten für öffentliche Gebäude, besonders Glasmalereien für Sakralbauten. In seiner Heimatstadt begegnet man auf Schritt und Tritt seinen ausdrucksstarken Werken wie etwa in der Mediathek mit einem eigens nach ihm benannten «Alfred Grünwald-Saal» oder im Restaurant Schlosskeller sowie im Stadtbüro des Stockalperschlosses mit mehreren Exponaten.
Der Kunstmaler Alfred Grünwald liess sich in Mailand, Paris und Florenz ausbilden. Von 1954 an führte er regelmässig Ausstellungen im In- und Ausland durch. Er arbeitete mit Öl, Pastell, Tusche, Kohle, Blei-/Farbstift, Fresko und Tempera. Vor allem seine Porträts von bekannten und weniger bekannten Einwohnern seiner Heimatstadt Brig zeugen nicht nur von seiner Verbundenheit mit den Mitmenschen, sondern auch von seiner hohen Sensibilität. Die Darstellungen wirken ausserordentlich lebhaft und temperamentvoll, gleichzeitig tiefsinnig und zuweilen mystisch. Von seiner Religiosität geprägt sind viele Glasmalereien in Kirchen und Kapellen wie beispielsweise in Albinen, Hohtenn, Eggerberg und Jeizinen, wo sich seine letzte Arbeit befindet. Nach seinem Tod wurde unter dem Patronat der Stadtgemeinde und der Burgerschaft Brig-Glis die Alfred Grünwald-Stiftung gegründet, welche die Erinnerung an ihn wach hält. Von schätzungsweise 1’500 Bildern befinden sich 500 in Privatbesitz.
Das Alte Spital
Das Alte Spital in Brig ist ein herausragendes Baurelikt der «Boomjahre» nach dem Bau des Simplontunnels. Als dieser 1906 in Betrieb genommen wurde, schloss auch das damalige Tunnelspital beim Schulhaus seine Türen. Brig und das ganze Oberwallis standen vor der unbefriedigenden Situation, dass die Region über keine zeitgemässe Gesundheitsinstitution mehr verfügte. Das aus dem Mittelalter stammende Antoniusheim in der oberen Burgschaft konnte diese Funktion nicht mehr übernehmen. Der geplante Bau des Lötschbergtunnels brachte die Lösung: Für dieses Werk wurde erneut ein Spital benötigt. Der damalige Stadtpräsident von Brig, Dr. Hermann Seiler, und der Arzt und Ratskollege Dr. Peter Tschieder nahmen den Steilpass auf und realisierten das «Oberwalliser Kreisspital» innert der Rekordzeit eines Jahres. Im Mai 1908 wurde gemäss Ratsprotokoll «das Programm der Einweihung angelobt und gutgeheissen».
Die Geschichte um den Bau des Alten Spitals liest sich wie ein Roman. Nachdem die Bahngesellschaft mit Sitz in Paris der Stadt Brig für den Bau der Lötschberglinie im Februar 1907 einen Beitrag von Fr. 50’000.– in Aussicht stellte, sofern diese «innert nützlicher Frist» einen neuen Spital bauen würde, schrillte beim damaligen Briger Stadtpräsidenten Dr. Hermann Seiler die Alarmglocke. Zusammen mit dem Arzt und Ratskollegen Dr. Peter Tschieder vergewisserten sie sich bei den Präfekten und bei allen Oberwalliser Gemeinden um die finanzielle Unterstützung für ein solches ehrgeiziges Projekt. Die rasch einberufene Urversammlung stimmte ebenfalls zu und der dafür benötigte Boden wurde zur Verfügung gestellt. («Das Terrain wird von der Gemeinde offeriert.»). Innert vier Wochen erteilte der Staatsrat des Kantons Wallis die Bewilligung. Wenige Tage später trat der bewährte Bauunternehmer Rossi in Aktion: Zusammen mit Hundertschaften italienischer Arbeiter errichtete er innert acht Monaten ein Spital, dessen Stattlichkeit heute noch zu bewundern ist. Während Jahrzehnten erfüllte es seine Aufgabe zum Wohle der Oberwalliser Bevölkerung, bis es in den 1970-Jahren durch einen Neubau ersetzt wurde. Zukunftsglaube, Überzeugung, Hartnäckigkeit und Herzblut für die Sache ermöglichten diese Pionierleistung.
Der Bahnhof Brig
Der Bahnhof Brig ist das Herzstück der Siedlungen von Brig und Naters, das auf der anderen Seite der Rhone gelegen ist. Bis zum Bau des Simplontunnels änderte die Rhone ihren Lauf durch ein Sumpfgebiet ständig, sodass die heute zusammengewachsenen Gemeinden Brig-Glis und Naters weit voneinander entfernt zu sein schienen. Gleichzeitig mit dem Bau der damals weltweit längsten Tunnelröhre (1906) wurde die Rhone gezähmt und eine neue Siedlungsfläche geschaffen. Der heutige Bahnhof wurde auf diesem entsumpften und aufgestockten Gelände gebaut und zeigt in seinem neoklassizistischen Stil Glanz und Macht des Eisenbahnzeitalters. Der internationale Bahnhof von Brig war das Tor zur Welt und ist es im Grund genommen bis heute geblieben.
Bauunternehmer Rossi aus Brig muss voller Stolz gewesen sein, als ihm der Auftrag zum Bau des Bahnhofs erteilt wurde. Zusammen mit einer Vielzahl von italienischen Arbeitern (die Einheimischen verfügten nicht über die notwendigen Fachkenntnisse für diese Bauart) errichtete er ein für damalige Verhältnisse prunkhaftes Gebäude. Schliesslich sollten der italienische König und der schweizerische Bundespräsident bei der Eröffnung des Simplontunnels (1906) beeindruckt werden. Aber nicht nur sie, sondern auch alle anderen, die hier ein- und aussteigen sollten, sei es Winston Churchill bei seinem Besuch in Brig mit dem legendären Orient-Express von London/Paris nach Istanbul oder der Grenzgänger aus Italien, der hierher zu seiner Arbeitsstelle fährt. Der Bahnhof Brig ist aber auch ein Dauerbrenner der Planung. Seit Jahrzehnten beschäftigen sich Generationen von Behörden und Fachleute schon fast leidenschaftlich damit, sei es mit der komplizierten Verkehrsführung über den Bahnhofplatz, mit der gelungenen Renovation der Hauptgebäude, mit Erweiterungsbauten aller Art oder mit der Umnutzung von Räumlichkeiten. Fast scheint es, als sei der behäbige Bau wie ein Vulkan daueraktiv. Und wer ihm begegnet, fühlt sich von seinen Augen beobachtet . . .
Die Bierbrauerei
Der Kanton Wallis verfügt über das grösste Rebbaugebiet der Schweiz; der Wein ist tief in der regionalen Tradition verwurzelt. Kaspar Stockalper liess deshalb in seinem Garten auch einen Rebberg anlegen, der bei der Neugestaltung des Gartens wieder seinen ursprünglichen Platz fand. Ebenso wird in Brigerbad die Rebkultur gepflegt. Es gab in Brig aber auch eine Bierbrauerei, obwohl sich die Behörden des Kantons mit Bier schwer taten. Im 19. Jahrhundert soll der Staatsrat in einem Dekret sogar Herstellung, Verkauf und Konsum von Bier verboten haben, um den heimischen Weinabsatz zu fördern.
Die Briger Bierbrauerei befand sich in der unteren Burgschaft in einer Liegenschaft mit mehreren Kellerstockwerken. Das Eis zur Kühlung des Biers stammte vom Kaltwassergletscher am Simplon und wurde mit Pferdefuhrwerken und Schlitten in die Kellerräume der Briger Burgschaft transportiert. Die Kühlung mit Gletschereis war vor der Erfindung von Kühlapparaten weit verbreitet. Für die alpine Wirtschaft waren die Verarbeitung des Eises und der Transport nicht unbedeutend. Der Kaltwassergletscher konnte über die napoleonische Simplonstrasse überdies relativ leicht mit Fuhrwerken erreicht werden. Dabei spielte natürlich auch eine Rolle, dass die Gletscher im 19. Jahrhundert ein mehrfaches Volumen gegenüber heute aufwiesen. Mit Bittprozessionen versuchte man gar, das Vordringen der Eismassen zu bremsen. Heute ziehen sich die Gletscher bekanntlich zurück und die gewaltigen Wasserspeicher schwinden. Wenigstens werden sie nicht mehr für die Kühlung von Bier benötigt – und die Briger Bierbrauerei gehört auch der Vergangenheit an.
César Ritz
César oder Cäsar Ritz (1850 – 1918) wurde in Niederwald geboren und verbrachte seine Kindheit mit einem eher erfolglosen Schulbesuch und mit dem Hüten von Ziegen. Seine erste Stelle trat er als Kaffeekellner im damaligen Briger Nobelhotel «Couronne et Poste» an. Nach kurzer Zeit beschied man ihm, dass er für das Gastgewerbe nicht geeignet sei. Mit 17 Jahren verliess César Ritz seine Heimat und reiste nach Paris, wo er eine unglaubliche Karriere begann und die Luxushotelkette «Ritz» begründete. Jahre später wurde der einst geschmähte César Ritz vom englischen König Edward VII. in London als «König der Hoteliers und Hotelier der Könige» betitelt.
César Ritz verfügte offenbar über eine herausragende Begabung, sich in der feinen Welt zu bewegen und deren Komfortbedürfnisse intuitiv zu erkennen. Seine Hotels waren als erste weltweit mit Badewannen, elektrischem Licht, Telefon und auserlesenem Mobiliar ausgestattet. Im Bereich der Küche vertraute er dem Meisterkoch Auguste Escoffier, mit dem er persönlich befreundet war. Seine Hotelkette wuchs explosionsartig an. César Ritz war ständig mit Zug und Schiff zwischen London, Cannes, Monte Carlo, Aix-les-Bains, Rom, Biarritz, Frankfurt und Luzern unterwegs. Seine «Gesellschaft zur Verbreitung der Hotellerie» plante und realisierte weitere Hotels in Kairo, Madrid und Johannesburg. César Ritz arbeitete bis zur Erschöpfung, die ihn schliesslich 1903 anlässlich der von ihm organisierten Krönungsfeierlichkeiten von König Edward VII. körperlich zusammenbrechen liess. Bis zu seinem Tod in einer Klinik in Küssnacht am Rigi litt der wohl bekannteste Hotelier aller Zeiten an einer tiefen Depression. Nach ihm benannt ist das «University Center César Ritz» (UCCR) mit Sitz in Brig, Teil der Swiss Education Group mit mehreren Ausbildungsbetrieben für Hotelmanagement. Rund 250 Studierende aus über 100 Nationen besuchen in Brig Kurse auf akademischem Niveau und tragen die Namen Brig und César Ritz in alle Welt.
Das Cordon bleu
Wer kennt es nicht, dieses herrlich panierte, mit Käse und Schinken gefüllte Schnitzel! Nur wenige aber wissen, dass die beliebte Fleischspezialität in einem Briger Restaurant erfunden worden ist – zumindest der Legende nach. So oder ähnlich könnte sich die Geschichte aber durchaus zugetragen haben:
Vor rund zweihundert Jahren wurde in einem Briger Restaurant eine Gruppe von dreissig Personen zu Schweinscarré erwartet. Die Briger Köchin hatte für die angemeldeten Gäste alles entsprechend vorbereitet, nur stiess plötzlich eine andere etwa gleich grosse Gruppe unerwartet dazu. Was tun mit der doppelten Gästeschar? Die pfiffige Köchin machte aus der Not eine Tugend und fügte der mangelnden Menge Fleisch grosszügig Schinken und Käse hinzu – damals im Wallis häufig verwendete, weil leicht verfügbare Nahrungsmittel. Und dass Käse durch Erhitzen wie beim Raclette oder Fondue wunderbar schmilzt und dem Fleisch eine besondere Würze verleiht, das wusste auch die rührige Köchin. Als ihr der überglückliche Patron für diesen Geniestreich scherzhaft den Orden «Cordon bleu» (das blaues Band) verleihen wollte – der 1578 gegründete Orden geht auf den französischen König Henri III zurück – lehnte sie dankend ab und schlug vor, den Namen fortan für das neue Gericht zu verwenden. Ob die Geschichte nun wahr ist oder nur gut erfunden: Beliebt ist und bleibt das Cordon bleu allemal – vor allem in Brig, wo das Gericht damals wie heute in mehreren Restaurants genossen werden kann.
Domodossola
Domodossola auf der italienischen Seite des Simplons ist die Zwillingsschwester von Brig, was im Jahr 2006 auch durch eine Städtepartnerschaft offiziell besiegelt wurde. «Domo», wie die Stadt abgekürzt genannt wird, wirkt nach Eröffnung der NEAT Lötschberg wie ein Magnet auf unsere nördlichen Miteidgenossen. Zu Tausenden reisen sie vor allem an Samstagen an den dortigen Markt und geniessen das Dolcefarniente in einem schon fast mediterranen Klima. Für Brig und das Oberwallis eigentlich nichts Neues: Die Beziehungen zwischen hüben und drüben waren immer herzlich. Daran konnten auch zwei Weltkriege nichts ändern. Man fühlt sich zuweilen schon fast verwandt. Dass in Brig der Weisswein, in Domo aber der Espresso besser ist, das weiss man auch auf beiden Seiten.
Domodossola zählt rund 18’000 Einwohner. Die wichtige Nabelschnur zu Brig bildet der Simplontunnel, aber auch die Passstrasse. Über Unterbrüche dieser Verbindungsachse ärgert man sich auf beiden Seiten, was allerdings bei weitem nicht die einzige Gemeinsamkeit ist. Domo und Brig sind typische Bahnstädte und Verkehrsknotenpunkte. Ähnlich präsentieren sich auch die Bahnhofstrasse in Brig und die Via della stazione in Domodossola. 1910 startete Geo Chavez in Ried-Brig zu seinem Pionierflug über die Alpen und starb in Domodossola nach einer Bruchlandung. Auch das verbindet – genauso wie das Exil des Grossen Stockalper in Domodossola, wo er seine Unterkunft schon vorher als eigen bezeichnen durfte und ihm der Aufenthalt wohl kaum so fremd vorkam. Übrigens befindet sich das Haus von Stockalper auf dem «Monte Calvario», dem Kalvarienberg, der zusammen mit weiteren ähnlichen Wallfahrtsstätten in der Umgebung ein UNESCO-Welterbe bildet. Diese Pilgerorte waren bis in das 20. Jahrhundert beliebte Reiseziele der Walliser.
Dr. Goudron
Dr. Ernest Guglielminetti (1862 – 1943) wurde – wiewohl italienischer Abstammung – in Brig geboren und besuchte hier das Kollegium. Nach dem Medizinstudium in Freiburg und Bern war er im Dienste der niederländischen Krone als Arzt in Java und Borneo tätig und lernte dort die Gebäudeabdichtung mittels Teer kennen. In Sorge um die Gesundheit der Menschen durch den wachsenden Strassenverkehr und die damit verbundene Staubentwicklung führte er 1902 mit dem Einverständnis des Fürsten von Monaco einen Versuch durch, in Monte Carlo eine Strasse von 40 m Länge zu teeren. Damit gelang ihm eine bahnbrechende Erfindung, und gleichzeitig schuf er sich seinen Übernamen: Dr. Goudron.
Dr. Ernest Guglielminetti war zweifellos eine schillernde Persönlichkeit. Seine Idee, Strassen mittels Teer (französisch «goudron») abzudichten, galt 1902 als Sensation. Später entwickelte sich daraus die Asphaltierung, eine heute nicht mehr wegzudenkende Methode zur Befestigung von Strassen und Plätzen. Dr. Goudron liess es aber nicht dabei bewenden: Er beschäftigte sich insbesondere mit den Auswirkungen des Luftdrucks auf den menschlichen Organismus, sei es in den Tiefen der Meere oder in der Höhe der Luft, und nahm an Expeditionen mit Unterseebooten, Ballonflügen und Berggipfelbesteigungen teil. Nach einem verheerenden Grubenunglück im französischen Courrières mit über 1000 Toten trugen Rettungsleute erstmals Atemgeräte, die von Dr. Goudron zusammen mit Heinrich Dräger, dem Gründer der deutschen Dräger-Werke, entwickelt wurden. Die Franzosen nannten das Atemgerät «Appareil Guglielminetti-Drager». Guglielminetti wurde mit mehreren Orden geehrt und die Stadt Brig verlieh ihm das Ehrenburgerrecht. Nebst seinem Familiengrab auf dem Friedhof von Glis erinnert ein Denkmal auf dem Saltinaplatz an den genialen Arzt, Erfinder und Menschenfreund.
Familie Seiler
Das neuzeitliche Brig ist stark von der Familie Seiler geprägt: Alexander Seiler der Ältere (geb. 1819), ein Bauernsohn aus Blitzingen, erkannte die Zeichen der Zeit und baute von Brig aus die nach ihm benannte Hotelkette mit Betrieben in Zermatt, Riederalp und Gletsch auf. Brig bot ihm und seinen Nachkommen gleichzeitig eine politische Basis: Seine Söhne Joseph und Hermann amteten als Briger Stadtpräsidenten; der letztere wie auch sein Bruder Alexander Seiler der Jüngere vertraten den Kanton Wallis im Nationalrat. Als «Head Quarter» diente das heutige Restaurant Angleterre, wo die Familie den Winter verbrachte, die Vorbereitungen für die nächste Sommersaison traf und das dafür benötigte Personal rekrutierte. Bis in die 1970er-Jahre stand das Haus in der Briger Burgschaft im Besitz der Familie; ein angrenzender, 2012 eingeweihter Platz erinnert heute noch an die Hotelier- und Politikerfamilie.
Die Seiler-Dynastie widerspiegelt die touristische Entwicklung des Oberwallis, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzte. Dampfschiffe und Eisenbahnen ermöglichten das Reisen auch aus fernen Ländern bis in die Schweizer Alpen, die wie ein Magnet auf die Städte Europas, insbesondere Englands, wirkten. Es gehörte zum guten Ton der Oberschicht, ihre Sommerferien hier zu verbringen. Die hohe Kaufkraft des britischen Pfunds ermöglichte es ihnen, den gewohnten Luxus auch in den Seiler-Betrieben zu geniessen. Die einheimische Bevölkerung von Zermatt begegnete der Familie Seiler argwöhnisch. So verweigerte die Burgergemeinde Zermatt Dr. Alexander Seiler dem Jüngeren das Durchfahrtsrecht zu seinem Betrieb auf der Riffelalp, worauf dieser kurzerhand bei der Eidgenossenschaft eine Eisenbahnkonzession einholte und damit – gestützt auf nationales Recht – zwischen der Station der Gornergratbahn und seinem Hotel das höchstgelegene Tram Europas betreiben konnte. Alexander Seiler der Ältere setzte sich durch, als er gegen den Willen der Zermatter durch Entscheid des Bundesgerichts deren Burgerrecht erwarb. Alexander Seiler der Jüngere stand als Nationalrat an vorderster Front für die Lötschberglinie ein, was ihm erhebliche Kritik des offiziellen Wallis einbrachte, welches die Variante unterhalb des Wildstrubels favorisierte. Der verkehrspolitische Machtkampf endete mit dem Sieg des Lötschbergs und 1903 mit der Gründung der ältesten Fastnachtsgesellschaft des Wallis, dem Türkenbund, dessen erster Grossvezier Dr. Alexander Seiler war. Sieben Jahre später (1910) zeichnete er als OK-Präsident beim Alpenflug von Geo Chavez verantwortlich und konnte dabei auf die Unterstützung seines Bruders Dr. Hermann Seiler zählen, der zeitgleich Stadtpräsident von Brig war. Dieser hatte zwei Jahre zuvor (1908) in Brig erfolgreich das erste Spital im Oberwallis realisiert.
Die Ganterbrücke
«Scheens Gantertal, minu Sunnustrahl» wird im bekannten Volkslied von Adolf Imhof gesungen. Das einst ganzjährige besiedelte Tal, wo sich im «Grund» auch ein Eisenbergwerk des Grossen Stockalper befand, liegt auf der Nordseite des Simplons. Die reizvolle Naturlandschaft wird von einer spektakulären Brücke dominiert, die sich über den Talgrund schwingt und in der Fachwelt grosse Bewunderung geniesst. Die von Prof. Christian Menn entworfene neue Ganterbrücke, auch Europabrücke genannt, wurde 1980 fertigerstellt. Sie bildet Teil der Nationalstrasse auf der Strecke von Brig nach Gondo.
Obwohl die im Auftrag von Napoleon gebaute alte Ganterbrücke im hinteren Teil des Tals eine erstaunliche Beständigkeit aufwies und heute noch befahrbar ist, genügte sie beim Bau der Nationalstrasse nicht mehr den Anforderungen. Der ETH-Professor Christian Menn (1927) wurde mit dem schwierigen Auftrag betraut, eine neue Brücke zu realisieren. Der Auftrag war deshalb schwierig, weil Topographie und Geologie eine besondere Machart nötig machten. Ausserdem galt es, eine hohe Gestaltungsqualität zu erreichen. Beides gelang Menn. Er wählte eine Kombination aus Balkenbrücke und Schrägseilbrücke. Über zwei riesige Pylone laufen Seilpaare, die dem Strassenverlauf in die anschliessenden Kurven folgen. Zur Stabilisierung wurden die Seilpaare ebenfalls mit Beton verkleidet und verleihen der Ganterbrücke ihre aussergewöhnliche Erscheinung. Eine spezielle Lagerung der Pfeiler berücksichtigt den starken Kriechgang des Baugrundes. Die Ganterbrücke – 678 Meter lang, gebaut aus 18’500 Kubikmeter Beton und 2’000 Tonnen Stahl – kann im Bedarfsfall bis zu 50 Zentimeter Richtung Berg zurück in ihre korrekte Position geschoben werden!
Geo Chavez
Am 23. September 1910 startete der Peruaner Jorge Chavez Dartnell (allgemein unter «Geo Chavez» bekannt) im Rahmen eines von einer italienischen Zeitung ausgeschriebenen Preiswettbewerbs von Ried-Brig aus zu einem Flug über den Simplon. Es war das erste Mal, dass ein Pilot die Alpen überflug. Bei der Zwischenlandung in Domodossola brach die «Blériot XI» auseinander; Chavez konnte das kleine Flugzeug mit einem 50 PS-Motor zwar zu Boden bringen, erlitt aber Verletzungen und starb am 27. September 1910 in einem Spital in Domodossola im Alter von 23 Jahren. Chavez und seine Pionierleistung gingen in die Geschichte ein. 2010 feierten Brig-Glis und Ried-Brig das 100-Jahr-Jubiläum.
Der Flug von Geo Chavez über den Simplon (der bis Mailand hätte fortgesetzt werden sollen) löste ein enormes öffentliches Interesse aus. Das Organisationskomitee unter Dr. Alexander Seiler hatte mit der Beherbergung und Betreuung der zahlreichen illustren Gäste in Brig alle Hände voll zu tun. Unter ihnen war beispielsweise auch der italienische Komponist Giacomo Puccini. Der äusserst einnehmende Geo Chavez, der aus Peru stammte und in Paris wohnhaft war, löste mit seinem tollkühnen Unterfangen eine gewaltige Sympathiewelle aus. Sein tragischer Tod wurde mit Fassungslosigkeit und grosser Anteilnahme aufgenommen. Der Beerdigung in Paris sollen über 100’000 Personen beigewohnt haben. In seinem Heimatland gilt Chavez als Held der Aviatik. Der Flughafen von Lima ist nach ihm benannt und die peruanische Luftwaffe hält die Erinnerung an ihn wach – genauso wie die Chavez-Stiftung in Brig und die Dauerausstellung im Stockalperschloss zum Thema «Passage Simplon», wo sich auch ein Modell seiner «Blériot» befindet. Ausserdem errichteten die Briger auf dem Sebastiansplatz einen Gedenkbrunnen. Bei der heutigen Version handelt es sich um einen originalgetreuen Nachbau nach der Unwetterkatastrophe von 1993.
Hexen und Bischöfe
Glücklicherweise war Brig im Mittelalter ein kleiner Flecken. Aus der Zeit des Mittelalters ist deshalb eher wenig bekannt. Auch in Bezug auf die unrühmlichen Hexenprozesse, die unter anderem im Buch «Walliser Totentanz» von Werner Ryser beschrieben werden. Damals beanspruchten die so genannten «Freigerichte» die Blutgerichtsbarkeit, d. h. das Recht, Todesstrafen zu verhängen. Für Brig ist kein solches Freigericht bekannt, aber es soll im «Holowistutz» in Glis eine Richtstätte gegeben haben. Dass in Brig Hexen hingerichtet wurden, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Hingegen ist eine traurige Begebenheit bekannt, wonach zwei bischöfliche Boten in Brig festgehalten wurden, bis das Urteil zweier unschuldiger Frauen im Grund (Gantertal) vollstreckt war.
Der Bischof von Sitten war jahrhundertelang auch die höchste weltliche Instanz im alten Wallis. Dazu gehörten auch die Gerichtsbarkeit und damit der Anspruch, Todesurteile in letzter Instanz selber zu entscheiden. Der Versuch, die Verbrennung der beiden Hexen im Grund zu verhindern, ist deshalb weniger auf christliche Nächstenliebe und auf das den Frauen geschehene Unrecht, sondern auf den Machtanspruch des Bischofs zurückzuführen. Dessen Position war ohnehin alles andere als konfliktfrei. Immer wieder ergriff die Bevölkerung zur «Matze», d. h. sie begehrte gegen den Bischof auf, aus welchen Gründen auch immer. Bischöfe waren unterschiedlich beliebt, manche wie etwa Jost von Silenen betrieben eine ausgesprochene Machtpolitik. 1482 wurde der gebürtige Luzerner (dessen Neffe der erster Kommandant der Schweizergarde in Rom war) vom Papst Sixtus IV. nach der Wahl durch das Domkapitel zum Bischof von Sitten ernannt. Er unternahm mit Unterstützung der Waldstätten Feldzüge in das Val d’Ossola, wo er in der Schlacht von Crevola gegen das Herzogtum Mailand unterlag. Deswegen wurde er nicht zuletzt auf Druck von Jörg auf der Flüe (Georg Supersaxo) 1497 abgesetzt. Georg Supersaxo wiederum war u. a. Grosskastlan des Zenden Brig und besass ein Haus in Glis, wo er in der dortigen Wallfahrtskirche einen wunderschönen, bis heute erhaltenen Seitenaltar errichten liess. Brig und Glis hielten im erbitterten Machtkampf zwischen ihm und seinem einstigen Mentor, Matthäus Schiner, zu «ihrem» Georg Supersaxo. Beide Persönlichkeiten schrieben Weltgeschichte: Schiner wurde zum Kardinal ernannt und der Legende nach beinahe zum Papst gewählt. Er starb 1522 in Rom an der Pest, nachdem er massgebend die Schweizer in die Niederlage von Marignano 1515 geführt hatte. Vorher hatte er Georg Supersaxo in Freiburg i. Ü. in einen Kerker werfen lassen, aus dem ihn seine Frau und seine Tochter mit List befreien konnten. Georg Supersaxo starb 1529 in Vevey und hinterliess 23 Kinder. Und so lebten sie im Mittelalter beide gefährlich: die Hexen und die Bischöfe. Brig hat mit ihnen nicht sehr viel am Hut.
Grand Hotel Couronne et Poste
Um das Hotel «Couronne et Poste» ranken sich Dichtung und Wahrheit. Von der einstigen Nobelherberge von Brig ist nichts mehr übrig geblieben. Alte Fotografien lassen aber das einstige Flaggschiff der Briger Hotellerie erahnen, welches 1951 einem Brand zum Opfer fiel und durch einen eher bescheidenen und bereits 1975 wieder abgebrochenen Nachbau ersetzt wurde. Seither befindet sich an seiner Stelle das jetzige UBS-Gebäude. An das «Couronne» erinnern heute ein angrenzendes Restaurant gleichen Namens und der neugestaltete Sebastiansplatz nach der Unwetterkatastrophe von 1993. Der Standort des einstigen Grand Hotels kann anhand eines dortigen Podestes zumindest wieder reliefartig abgelesen werden.
Den Ausführungen von Dr. Roland Flückiger-Seiler in seinem Beitrag für das Jubiläumsbuch «800 Jahre Brig» folgend, wird das Haus 1840 erstmals in einem Reiseführer erwähnt. Der Zürcher Autor, Johann Jakob Leuthy, bemerkt darin, «es enthalte schöne Salons und viele prachtvoll meublirte Zimmer». Ausserdem stünden dort «in billigen Preisen» immer Pferde und gedeckte Wagen in Bereitschaft. Der vom Simplon stammende Besitzer Johann Josef Escher wusste also, dass sich Brig als «Etappenort» eignete, um über die napoleonische Strasse nach Italien zu reisen. Der Reisebuchautor Hermann Alexander Berlepsch schrieb 1856: «Dieser Gasthof wurde durch genannten Besitzer (gemeint war der Sohn von Johann Josef Escher) tüchtig restauriert. (…) Bei dem Mangel guter und bequem eingerichteter Hotels in diesem Kanton verdient jede Verbesserung Beachtung.» Ganz in der Tradition anderer Autoren, die in Brig offenbar eine Art Oase im tristen Wallis sahen. So schrieb einer über Brig zu Beginn des 19. Jahrhunderts: «Voyez quel tableau riant la ville de Brigue présente au milieu d’un pays sauvage.» Sogar Goethe notierte 1779 in seiner «Reise nach Italien» über Brig: «Wir haben ein ganz artiges Wirtshaus und, was uns zu grossem Vergnügen dient, in einer geräumigen Stube ein Kamin angetroffen.» Damit dürfte allerdings nicht das erst später gebaute «Couronne» gemeint sein, welches in der «Belle Epoque» vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs seinen Zenith erreichen sollte. Es wurde zum «Stell-dich-ein» von gekrönten Häuptern, Dichtern und Politikern, unter ihnen beispielswiese der spätere englische Premierminister Winston Churchill. Es gab keinen wichtigen Anlass in Brig, der nicht im Couronne stattgefunden hätte, so zum Beispiel die legendären Briger Bälle. In der Zwischenkriegszeit geriet das Grand Hotel immer mehr unter Beschuss der Verkehrsplaner und der damaligen Architekturszene, welche für diesen Baustil nur noch Verachtung empfand. So bezeichnete der Präsident der Eidgenössischen Denkmalpflege nach dem Brand von 1951 das «Couronne» als «unschönen Hotelkasten». Folgerichtig wurde alles entsorgt, auch das wertvolle Interieur. Heute kann man über die Ignoranz dieses Zeitgeistes bis in die 1960er-Jahre nur noch den Kopf schütteln.
Die Briger Kapellen
Wie überall in der Region gibt es auch in der Stadtgemeinde Brig-Glis eine Vielzahl von Kapellen, Ausdruck der tiefen Volksfrömmigkeit. In Brig verdienen die Sebastianskapelle auf dem gleichnamigen Platz in der Innenstadt und die Antoniuskapelle in der oberen Burgschaft eine besondere Erwähnung. Letztere wurde vermutlich im Zusammenhang mit der 1304 erfolgten Gründung einer Krankenanstalt (Antoniushaus) gebaut, welche bis zum Bau des Oberwalliser Kreisspitals (1908) teilweise noch in Betrieb war. Die Sebastianskapelle wurde 1636/1637 von einem der beiden Brüder Bodmer erstellt, die auch als Baumeister des Stockalperschlosses bekannt sind.
Während die Antoniuskapelle deutlich gotische Züge zeigt und in dieser Stilrichtung 1998/1999 auch fachgerecht restauriert wurde, ist die jüngere Sebastianskapelle eine typisch barocke Konstruktion. Der Portalvorbau ist giebelüberdacht und enthält Nischen mit den Statuen des Hl. Leodegar und des Hl. Hieronymus, den Briger Stadtheiligen. Im Inneren steht ein Altarbild von Lorenz Justin aus dem Jahr 1837 mit einer Darstellung des Hl. Sebastian und einer Ansicht von Brig. Vermutlich soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass der auch als Pestheilige bekannte Sebastian die Stadt Brig vor dieser ansteckenden Krankheit schützen soll. In der Antoniuskapelle befindet sich eine spätgotische Antoniusstatue aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. 1851 ist der Frontturm bei einem Erdbeben eingestürzt und danach umgebaut worden. Die Glocke wird ins Jahr 1396 datiert. Gleich angrenzend zur Antoniuskapelle befindet sich der unter Denkmalschutz stehende Metziltenturm als Bestandteil der Klosteranlage St. Ursula.
Karl Dellberg
Karl Dellberg wurde 1886 in Brig geboren und starb 1978 im hohen Alter von 92 Jahren. Schon als Knabe ärgerte er sich, dass bei der Beerdigung seines früh verstorbenen Vaters in der Kirche nur die kleinen Glocken geläutet wurden und nicht die grossen, welche den Notablen vorbehalten waren. 1904 gründete er den Briger «Grütli-Verein», Vorläufer der heutigen Sozialdemokratischen Partei der Schweiz. An einer Urversammlung des Jahres 1910 wandte er sich gegen den Antrag der mächtigen Gebrüder Alexander und Hermann Seiler, die «Flugwoche» für den erstmaligen Flug über die Alpen (Geo Chavez) mit viertausend Franken zu unterstützen und forderte, das viele Geld gescheiter für Bedürftige auszugeben. Ein gutes Drittel der Versammlung folgte ihm. Zwei Jahre später (1912) wurde er in den Stadtrat von Brig gewählt, dem er bis 1949 angehörte. 1951 verlegte er seinen Wohnsitz nach Siders, wo er weiterhin politisch tätig war und als «Löwe von Siders» bekannt wurde.
Karl Dellberg war zweifellos ein Phänomen der schweizerischen und Walliser Politik. Es gelang ihm, in Brig mit seinem konservativ-ländlichen Umfeld eine Politik durchzusetzen, die den Arbeiter in den Vordergrund stellte. Die damaligen Verhältnisse beim Bau des Simplontunnels und in der aufkommenden Industrie, wo Arbeiter ausgebeutet wurden, liessen Dellberg zu einem authentischen Kämpfer für deren Rechte werden. Als der kerngesunde Bergsteiger Dellberg 1933 als Postbeamter für invalid erklärt wurde, setzte er von nun an seine volle Schaffenskraft dafür ein. Dies brachte ihm nicht nur die Sympathie der Linken, sondern auch von weiten Teilen des Bürgertums ein. Nicht zuletzt deswegen formierte sich innerhalb der katholisch-konservativen Partei ein starker christlich-sozialer Flügel, der sich an die Soziallehre von Papst Leo XIII. (Enzyklika «Rerum novarum») hielt und deshalb insbesondere von den geistlichen Professoren am Kollegium Spiritus Sanctus unterstützt wurde. Gegenüber den Kommunisten grenzte sich Dellberg klar ab, war aber tief vom genossenschaftlichen Gedanken geprägt. Es gab in Brig sogar ein «Volkshaus» mit Hotel, Saal und Restaurationsbetrieb (das heutige «Alpina» im Rhonesand), wo Dellberg persönlich die Gäste empfing und wo politische Versammlungen stattfanden. Nebenbei wurden dort Kino-Filme zur Unterhaltung gezeigt, offenbar auch viele Wildwest-Filme, was dem Volkshaus auch die Bezeichnung «Revolverküche» einbrachte. Ab 1935 finden wir Karl Dellberg im Nationalrat, welchem er über viele Perioden angehörte. Seine Tochter Heidi Wenger war die erste Frau im Oberwallis, welche an der ETH Zürich ein Architekturstudium absolvierte und zusammen mit ihrem Mann Peter Wenger 1955 in Brig an der Furkastrasse ein Architekturbüro eröffnete. Peter und Heidi Wenger-Dellberg zählen zu den renommiertesten Schweizer Architekten der Nachkriegszeit.
Kaspar Stockalper
Kaspar Stockalper (1609 – 1691), dem man irrtümlicherweise oft den zweiten Vornamen «Jodok» gibt, war zweifellos die prägendste Person von Brig. Einer einflussreichen Familie entstammend, genoss er in seiner Jugend eine herausragende Bildung, unter anderem auch an verschiedenen ausländischen Universitäten Europas. Er lernte insgesamt sechs Sprachen inklusive Latein. Danach ging der vielseitig Begabte mit äusserster Zielstrebigkeit und seiner Zeit weit voraus ans Werk: Er baute ein europäisches Handelsnetz auf, das seinesgleichen im gesamten Alpenraum sucht. Der «Fugger der Alpen» oder der «König des Simplons» genannte Stockalper wurde dabei unermesslich reich. In der Briger Altstadt begegnet man ihm auf Schritt und Tritt, besonders natürlich in seinem Schloss, dem grössten profanen Barockbau der Schweiz.
Stockalper wurde von Kaiser Ferdinand III. als Dank für geleistete Dienste mit dem Adelsprädikat «vom Thurm» ausgezeichnet und zum Reichsritter ernannt. Eine ganze Reihe von weiteren Adelstiteln schmückt ihn und seine Nachkommen seither. Stockalper bekleidete ziemlich alle Ämter, die das Land Wallis zu vergeben hatte, vom Säckelmeister und Kastlan in Brig über den Befehlshaber oberhalb der Morse bis hin zum langjährigen Landesschreiber und Landeshauptmann. Die letztere Ernennung erwies sich allerdings als Fehler. Auf dem obersten Podest der Politik angelangt, wurde er von seinen Widersachern und Neidern in die Minderheit gedrängt und schliesslich ins Exil nach Domodossola gezwungen. Stockalper erreichte ein für damalige Verhältnisse sehr hohes Alter von 82 Jahren und überlebte alle seine männlichen Nachkommen, die er in zwei Ehen gezeugt hatte. Nach seinem Tod wurden seine Güter im Wallis von einer Kommission des Landrats bewertet. Der Stand seines Vermögens entsprach dem Gegenwert einer Zweierkolonne Kühe von Brig bis zum Genfersee.
Die Kirchen
Die älteste Kirche in Brig-Glis ist die Wallfahrtskirche «Unsere lieben Frau auf dem Glisacker». Erst seit 1957 gibt es die Herz-Jesu-Pfarrei in Brig, welche am 27. September 1970 auch eine eigene neue Kirche einweihen konnte. Etwas mehr als ein Jahr später beschlossen die Gemeinden Brig, Glis und Brigerbad ihre Fusion. Damit haben die katholischen Pfarreien und die Gemeinden genau den gegenteiligen, wenn auch erklärbaren Weg beschritten. Die Kirche in Brig entstand auf Plänen der Architekten Jean und Nadine Tscherrig aus Genf. Die Gestaltung orientiert sich stark am ökumenischen Gedanken des 2. Vatikanischen Konzils unter Papst Johannes XXIII. Das «Zelt Gottes» wurde an einer Stelle in der unteren Burgschaft aufgeschlagen, wo früher ein mittelalterlicher Salzturm stand. Dessen Abbruch wurde in einem Urnengang der Bevölkerung beschlossen. Es gibt in Brig aber auch eine reformierte Kirche durch den Umbau des «Simplontunnelspitals» (1918).
Das Gotteshaus in Glis ist eines der ältesten im Kanton Wallis. Der Ursprung geht auf das frühe 7. Jahrhundert n. Chr. zurück. Im Laufe der Jahrhunderte folgten mehrere Neu- und Umbauten, weshalb sich mehrere Baustile vereinen (Romanik, Gotik, Barock). Die heutige Gestalt durch den Neubau einer mächtigen Pfeilerbasilika angrenzend zum romanischen Turm geht auf Kaspar Stockalper zurück. Die Arbeiten wurden zwischen 1648 und 1668 von den Baumeistern des Stockalperschlosses, den Gebrüdern Bodmer, ausgeführt. Zuvor hatten sich die Ortschaften Brig, Glis, Ried-Brig, Termen, Brigerbad und Eggerberg im Jahr 1642 wohl auch auf Betreiben des Grossen Stockalpers von der Pfarrei Naters getrennt und eine eigene Pfarrei gegründet. Nach der Bildung der Pfarrei Brig wurde auch ein eigener Friedhof errichtet, während die früheren Briger Generationen in Glis beerdigt wurden. Seit der Fusion der Gemeinden verfügt Brig-Glis deshalb über zwei Friedhöfe und die Beerdigungen finden auf Wunsch der Verstorbenen oder ihrer Angehörigen entweder in Brig oder in Glis statt. Die Trennung der Pfarreien und die Fusion der Gemeinden haben damit zu einer etwas eigenartigen Situation, wenn auch zu keinen eigentlichen Problemen geführt. Angesichts der Grösse der beiden Pfarreien, von denen jede die Grösse anderer Dorfpfarreien übersteigt, ist diese Lösung aus seelsorgerischer Sicht auch verständlich. Die drei Hauptkirchen in Brig-Glis, zu denen sich noch weitere Kirchen und Kapellen gesellen, werden sehr gut unterhalten. Kein Gotteshaus ist dem baulichen Verfall ausgesetzt; der Tatbeweis für einen immer noch tief verankerten Volksglauben.
Die Klöster
Kirchen und Klöster prägen das Stadtbild von Brig-Glis. Während in Glis die bekannte Wallfahrtskirche als wohl ältestes Gotteshaus im Oberwallis steht, sind es in Brig nebst der 1969 erbauten Pfarrkirche die Klosteranlagen mit ihren Kirchen, welche auf die Zeit des Grossen Stockalper zurückgehen. Dieser berief die Jesuiten, die Ursulinen und die Kapuziner nach Brig mit der beeindruckenden Vision, das Bildungsniveau anzuheben. Inzwischen ist das Kapuzinerkloster auf der Gliser Seite der Saltina einem Neubau gewichen und die Jesuiten verliessen das Kollegium Spiritus Sanctus in den Wirren des Sonderbundkrieges im 19. Jahrhundert.
Im Gegensatz zu den Jesuiten wirken der Frauenorden der Ursulinen und der Männerorden der Kapuziner über 300 Jahre nach ihrer Berufung durch den Grossen Stockalper weiterhin. Bis vor wenigen Jahren führten die Ursulinen das gleichnamige Institut, welches heute wie das Kollegium eine öffentliche Mittelschule unter der Bezeichnung «Oberwalliser Mittelschule St. Ursula» (OMS) ist. Die angrenzenden Liegenschaften des Frauenklosters und des Kollegiums weisen eine interessante Gemeinsamkeit auf. Beide Klosterkirchen gleichen sich in ihrer Ausgestaltung wie zwei Geschwister. Die grössere Kirche diente nach der Trennung der Pfarreien von Brig und Glis zwischen 1957 und 1969 auch als Pfarreikirche von Brig. Zuvor war aber die Wallfahrtskirche Glis und der Friedhof über Jahrhunderte die Pfarreikirche der Briger. Interessant ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass die Gemeinden Brig und Glis zusammen mit Brigerbad seit 1973 fusioniert wird, d. h. genau den gegenläufigen Weg der Pfarreien beschritten haben.
Kollegium Spiritus Sanctus
1662 eröffneten die von Kaspar Stockalper nach Brig berufenen Jesuiten das Kollegium Spiritus Sanctus. Der Heilige Geist sollte fortan das Bildungsniveau der männlichen Jugend anheben. Stockalper dachte aber – seiner Zeit weit voraus – auch an die weibliche Jugend, für welche die Ursulinen an ihrem Institut angrenzend zum Kollegium zuständig waren. Beide Schulen wirken bis auf den heutigen Tag; Generationen von Schülerinnen und Schüler aus dem Oberwallis haben auf dem «Bildungshügel» in der oberen Burgschaft fürs Leben gelernt. Zusammen mit mehreren weiterführenden Schulen bildet das Kollegium gewissermassen das Herzstück.
Rechnet man die Gesamtzahl der Studierenden aller Stufen, vom Kindergarten bis zu den universitären Institutionen, erreicht man 7’000 an der Zahl. Im Vergleich zur Bevölkerung der Stadt Brig-Glis von 12’700 dürfte es sich damit um eine rekordverdächtige Grösse handeln. Darin liegt auch der Grund, dass Brig mit seinen altehrwürdigen Gemäuern überaus jugendlich wirkt. Dem Kollegium Spiritus Sanctus fällt dabei eine besondere Rolle zu. An der heutigen kantonalen Maturitätsschule bereiten sich viele Oberwalliserinnen und Oberwalliser auf ihr weiteres Studium oder eine berufliche Tätigkeit vor. Daraus leitet sich wiederum der besondere und von Aussenstehenden immer wieder bewunderte Umstand ab, dass man sich im Oberwallis innerhalb einer Generation oft persönlich kennt und sich im späteren Leben immer wieder an die kleine «alma mater» erinnert. Seit einigen Jahren wurde am Kollegium Brig erfolgreich das «Nationale Leistungszentrum Schneesport» (NLZ) aufgebaut. Es bietet jungen Schneesportlerinnen und Schneesportlern die Möglichkeit, Studium und Hochleistungstraining optimal zu kombinieren. Die ersten Olympia-Medaillen sind bereits eingetroffen und man kann sich auf weitere freuen.
Der Lötschbergtunnel
1903 war die politische Diskussion um den Bau einer Bahnverbindung von Bern aus in das gegen Norden praktisch hermetisch abgeriegelte Wallis in vollem Gang. Schliesslich setzte sich die Lötschberg-Variante durch, die einen Scheiteltunnel zwischen Kandersteg und Goppenstein und den Bau der Südrampe bis nach Brig vorsah. 1913 konnte die Strecke in Betrieb genommen und in den 1970er-Jahren auf Doppelspur ausgebaut werden. In den 1980er-Jahren gab es eine erneute Diskussion über den Bau der Neuen Eisenbahntransversalen (NEAT), die schliesslich zur Doppelvariante Gotthard-Lötschberg führte. 2007 konnte der Lötschbergbasistunnel (LBT) zwischen Frutigen und Raron zeit- und kostengerecht eröffnet werden. Er verkürzt die Fahrzeit zwischen Brig und Bern auf eine Stunde.
Tunnelbau ist in der Schweiz eine Art bergmännischer Volkssport. Der Vergleich der Schweizer Alpen mit einem Emmentaler Käse ist deshalb nicht ganz unzutreffend. Für Brig sind die Bahnverbindungen unter den Bergen nach Norden und Süden entscheidend. Der Lötschbergbasistunnel fügt sich als neuestes und modernstes Glied in dieses System ein. Zusammen mit dem Simplon bildet diese alpenquerende Achse die ideale Anbindung an das italienische Bahnnetz und an den Hafen von Genua. Leider sehen das die «Gotthardisten» anders. Dessen ungeachtet sind die Vorteile des Lötschbergbasistunnel für das Oberwallis offensichtlich. Die Frequenzen konnten massiv gesteigert werden. Die neue Bahnverbindung wird von immer mehr Pendlern und Tagestouristen benutzt. Die Nacht gehört schwergewichtig dem Güterverkehr. Die negativen Auswirkungen durch Lärmimmissionen konnten durch Schutzmassnahmen und verbessertes Bahnmaterial weitgehend aufgefangen werden.
Multikulturell
Brig hat es im Lauf der Zeit geschafft, eine beeindruckend multikulturelle Gesellschaft aufzubauen, indem es sich offen gegenüber Auswärtigen zeigte und diese erfolgreich integrierte. Nicht selten wurden eingewanderte Familien zu eigentlichen Stützen der Briger Gesellschaft. Heute ist die Ausländerquote mit 14.2 % nicht annähernd so hoch wie während der Tunnelbauzeit (1900: 34.9 %) oder kurz nach dem Beitritt des Landes Wallis zur Eidgenossenschaft (1816: 25.7 %). Die Toleranz der Briger zeigte sich aber auch gegenüber Minderheiten, wie dies die Protestanten oder die internierten Soldaten aus Frankreich, Belgien, Polen und Italien während der beiden Weltkriege zweifellos waren.
Wie Franco Arnold in seinem Beitrag zum Jubiläumsbuch «800 Jahre Brig» schreibt, ist keine andere Ortschaft im Oberwallis ausser Zermatt in den vergangenen 150 Jahren derart rasant wie Brig gewachsen (seit 1850 um das Siebzehnfache!). Diese Entwicklung verdankt die Stadt nebst ihrer Lage auch der Offenheit seiner Bevölkerung gegenüber Neuankömmlingen. Diese wurden sogar in die Politik integriert: So sass zwischen 1902 und 1906 mit Hermann Häussler, dem Oberingenieur der Simplon-Baugesellschaft, ein zugezogener Protestant im Briger Stadtrat, was damals von vielen als geradezu ungeheuerlich empfunden wurde. Der konservative Walliser Bote aus Visp rümpfte darob die Nase («Jetzt sollen die Protestanten noch kommen und uns Wallisern das Evangelium der Toleranz predigen»), während der Briger Anzeiger zur glücklichen Wahl gratulierte und die Basler Nachrichten die «Toleranz des kleinen Städtchens Brig» lobten. Ingenieur Häussler war es, der im Rhonesand ein Gaswerk realisierte, welches Brig bis 1955 über ein städtisches Leitungsnetz mit Energie versorgte. Und wie Franco Arnold schreibt: «Vom Import von Know-how und Arbeitskraft hat man profitiert, ohne sich dadurch allzu sehr bedroht zu fühlen. Ohne Zutun der Migranten wäre Brig heute nicht das, was es ist. Stumme Zeitzeugen bestätigen es, oder man stelle sich Brig ohne die Prachtbauten Stockalpers, ohne prägende Architektur des 19. Jahrhunderts im Zentrum Brig und ohne Jahrhundertbau am Simplon vor – unmöglich.»
Napoleon Bonaparte
Napoleon Bonaparte (1769 – 1821) aus Korsika erwies sich bereits in jungen Jahren als militärisches Talent ersten Ranges. Er wurde durch Feldzüge der französischen Armee in Italien und Ägypten nach der Revolution von 1789 äusserst populär und erfolgreich. Dadurch gelang ihm als einem von drei Konsuln 1799 in Paris die Machtübernahme; 1804 ernannte er sich selbst zum Kaiser und Imperator von Frankreich. Nach dem Einmarsch der Franzosen 1798 ins Wallis ordnete er den sofortigen Bau einer Strasse über den Simplon an, «pour faire passer les canons». Damit sollte die Artillerie so rasch und so sicher wie möglich an die italienische Front verschoben werden. 1805 war der Bau der Simplonstrasse beendet. Napoleon und seine Artillerie kamen aber nicht.
An der Simplonstrasse beim so genannten «Gabi» ist eine Inschrift zu lesen, wonach Napoleon hier eine Tasse Milch bestellt und diese mit fünf Franken bezahlt haben soll. Dabei handelt es sich um eine unbestätigte Legende. Tatsache aber ist der Bau der Strasse, die in Rekordzeit von Ingenieur Nicolas Céard in Zusammenarbeit mit einem Genie-Bataillon und Tausenden von zwangsrekrutierten Wallisern realisiert wurde. Besonders mutig war dabei die Querung der Gondo-Schlucht, die bis anhin als unpassierbar galt. Zahlreiche Kunstbauten waren dafür notwendig. Ganz dem Charakter einer Heeresstrasse entsprechend wurde mit Ausnahme der alten Ganterbrücke für den eigentlichen Brückenschlag Holz verwendet. Damit wäre im Notfall eine rasche Zerstörung möglich gewesen. Auf alten Abbildungen ist diese Holzbrücke über der Saltina zu erkennen; sie wurde später durch die heutige «Napoleonsbrücke» ersetzt, zu welcher die «Napoleonstrasse» von der Kirche Glis führt. Dort – bei den einstigen zwölf Staffeln der Kirchentreppe – begann Nicolas Céard mit dem Bau seiner Simplonstrasse. Nach Abschluss der Bauarbeiten meldete er Napoleon freudig: «La route est prête et j’attends l’artillerie». Soweit kam es nicht, Napoleon verlor nach seinem ersten Exil auf der Insel Elba die Entscheidungsschlacht von Waterloo. Diese endete mit dem Wiener Kongress von 1815 und dem dort vereinbarten Beitritt des Landes Wallis zur Eidgenossenschaft. Der Anschlussvertrag wurde übrigens im Dreikönigssaal des Stockalperpalastes abgeschlossen.
Bruderschaft Osterlamm
Alljährlich versammelt sich eine traditionsreiche Männerrunde am Ostermontag im Rittersaal des Stockalperschlosses zu einer erlesenen Tafel. Die Rede ist von der «Bruderschaft zum Osterlamm», welche sich vermutlich bereits von 1776 an zusammenfand, deren offizielle Gründung aber gemäss Protokoll erst 1786 erfolgte. Damals gehörten die Osterlammbrüder fast ausschliesslich den Spitzen der geistlichen und weltlichen Behörden aus dem Zenden Brig an. Die Bruderschaft verfolgte den Zweck, am österlichen Friedensfest ihre Mitglieder bei «frohem Mahle und lustigem Becherklang» zu vereinen und ihnen Gelegenheit zu bieten, allfällige «Misshelligkeiten» durch freie und offene Aussprache zu heben.
Die Tradition des Osterlamms hat sich bis heute erhalten. Waren es zunächst ausschliesslich geistliche und weltliche Behörden, ergänzt durch Offiziere in fremden Diensten, so hat sich die Mitgliedschaft im Lauf der Zeit weit geöffnet und widerspiegelt nun das breite berufliche und gesellschaftliche Spektrum der heutigen Zeit. Jedes Jahr laden jeweils drei Mitglieder ein und berappen die nicht unbedeutende Zeche. Sie finanzieren dabei gleichzeitig eine eigene Stiftung, welche karitative und kulturelle Projekte in der Region unterstützt. Das «Osterlamm» folgt einem genauen Ablauf sowohl was die aufgetragenen Speisen und dazu passenden Weine als auch die Reihenfolge der Traktanden und der üblicherweise geistreichen Reden inklusive musikalischer Beigaben betrifft. Der Anlass beginnt mit einer Messe in der Sebastianskapelle und endet mit dem «Satisfecit» an die Gastgeber im Rittersaal des Stockalperschlosses vor Einbruch der Dämmerung. Als «elitäre Männergesellschaft» war das Osterlamm natürlich immer wieder Zielscheibe von Kritiken. Glücklicherweise prallen diese aber am toleranten Briger Geist ab. Wieso in aller Welt soll es anrüchig sein, sich in einer reinen Männerrunde (oder einer reinen Frauenrunde) zu treffen, um genüsslich gemeinsam ein Mahl einzunehmen? Und was ist daran falsch, wenn sich die Osterlammbrüder mit dem Geld ihrer Mitglieder für karitative und kulturelle Projekte einsetzen? Oder ist es am Ende der älteste Walliser, der Neid, der Kritiker auf den Plan ruft? Brigerinnen und Briger wissen diese Fragen leicht zu beantworten. Abgesehen davon, besteht auch für Nicht-Mitglieder die Möglichkeit zur Teilnahme. Den jeweiligen Gastgebern steht ein Kontingent an Gästen aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis zu, die sie zu diesem Anlass der besonderen Art einladen dürfen.
Passage Simplon
Unter dem Titel «Passage Simplon» wurde 2012 im Erdgeschoss des Stockalperschlosses auf einer Fläche von 200 m2 eine Dauerausstellung eröffnet. Sie beleuchtet das historische Verhältnis zwischen Brig und Simplon, deren wechselvolle Geschichte eng miteinander verbunden ist. Insgesamt werden sieben Themen ausgeleuchtet, vom Bau der Simplonstrasse und des Simplontunnels bis zum Alpenflug von Geo Chavez. Auch dem Erfinder der Strassenteerung, Dr. Ernest Guglielminetti, ist ein Teil der Ausstellung gewidmet. In einem separaten Raum befinden sich Objekte aus der Zeit des Grossen Stockalper und geben Einblick in dessen europaweites Handelsunternehmen. Die Ausstellung ist täglich (ausser am Montag) von Mai bis Oktober geöffnet; der Eintritt ist frei.
Über ein Museum in Brig wurde bzw. wird seit langem diskutiert. In der Tat gibt es eine Reihe von interessanten Themen, die einem grösseren Publikum zugänglich gemacht werden sollten. Aber auch die heranwachsende Jugend sollte sich damit auseinandersetzen. Bekanntlich kann man die Zukunft nur bewältigen, wenn man die Gegenwart und deren Geschichte kennt. Diesem Zweck dienen heute die ehemaligen Büroräumlichkeiten des kantonalen Grundbuchamtes. Unter dem Motto «Klein aber fein» ist es der beauftragten Firma Spinform AG gelungen, die bereits 2010 im Jubiläumsjahr des Alpenflugs von Geo Chavez ausgearbeitete Ausstellung mit weiteren Themen zu erweitern. Der Besucher kann sich so ein Bild von der Entwicklung des kleinen Flecken Brig im Jahr 1215 zum heutigen Dienstleistungs- und Bildungszentrum des Oberwallis machen. Das Schwergewicht liegt dabei auf der gewaltigen Entwicklung der Verkehrstechnik im 20. Jahrhundert. Brig kann mit einigen Superlativen aus diesem Zeitalter aufwarten: mit dem ehemals längsten Tunnel der Welt, mit dem ersten Flug über die Alpen und mit der Erfindung der Strassenteerung durch seinen Ehrenburger Dr. Ernest Guglielminetti.
SBB Contact Center
Um die Jahrtausendwende suchten die Schweizerischen Bundesbahnen einen geeigneten Standort für den Aufbau eines Contact Centers, also eine zentrale Stelle in der Schweiz, von wo aus über Telekommunikationswege Auskünfte erteilt und Bahnabonnemente ausgestellt werden sollten. Das SBB Contact Center sollte sich an der Sprachgrenze ausserhalb der grossen Städte befinden, um die Rekrutierung von geeignetem und sprachgewandtem Personal zu erleichtern. Die Stadtgemeinde Brig-Glis beteiligte sich mit dem infolge Technikfortschritts nicht mehr im vollen Umfang benötigten Swisscom-Gebäude unweit des Bahnhofs. Die SBB gaben der Bahnstadt Brig den Zuschlag. Inzwischen betreuen 270 Mitarbeitende Kunden aus dem In- und Ausland. Sie nehmen jährlich 1.5 Millionen Anrufe entgegen und beantworten 250’000 Mails. Der Umsatz an ausgestellten Abonnementen hat die Milliardengrenze erreicht.
Was am 2. September 2001 mit 15 Leuten begann, entwickelte sich zu einer Erfolgsgeschichte: Das SBB Contact Center ist heute einer der grössten Arbeitgeber von Brig-Glis und bietet interessante Stellen an. Der regionale Arbeitsmarkt erweist sich dabei mit seiner ausreichenden Menge an gut ausgebildetem und sprachkundigem Personal als geeignet. Inzwischen laufen mehrere Produktneuerungen über Brig, beispielsweise die Bahn-Reisehilfe für behinderte Menschen oder verschiedene Hotline-Dienste über die SBB-Internetseite. Das Contact Center ist rund um die Uhr und während 365 Tagen im Jahr erreichbar. Seit 2011 sind alle diesbezüglichen Aktivitäten der SBB auf den Standort Brig konzentriert. Als die Swisscom ihre Liegenschaft zum Verkauf anbot, wurde diese von der Stadtgemeinde Brig-Glis und vom Kanton Wallis je zur Hälfte erworben. Damit sichert die öffentliche Hand die Arbeitsplätze der SBB und steht als verlässlicher Partner zur Verfügung. Brig bleibt sich selbst auch über 100 Jahre nach dem Eintritt ins Eisenbahnzeitalter treu: Die SBB beschäftigen am Standort Brig über 800 Personen und bilden damit eines der wichtigsten Zentren des öffentlichen Verkehrs der Schweiz. Mit ihrer Immobilienpolitik unterstützt die Stadtgemeinde Brig-Glis die wirtschaftliche Entwicklung, wie dies der Grosse Stockalper mit seinem Satz «Nihil solidum nisi solum» (Nichts ist so beständig wie der Boden) vorgegeben hat. Der Versicherungswert der gemeindeeigenen oder gemeindenahen Liegenschaften beträgt 300 Millionen Franken.
Die Simplon-Festung
Die Simplon-Festung, infolge ihres Standortes auf Gebiet der Nachbargemeinde Naters auch als «Festung Naters» bezeichnet, wurde zu Beginn des Zweiten Weltkriegs erbaut mit dem Auftrag, als Artillerie-Werk einen möglichen feindlichen Vorstoss über den Simplon bis in den Kessel von Brig zu verhindern. 1995 wurde die Festung von der Armee ausgemustert und ging in den Besitz der Standortgemeinde Naters über. Seither befinden sich dort das Museum der Schweizergarde und der Festung selbst sowie ein im Aufbau begriffenes Strahler-Museum. Der gesamte Komplex entwickelt sich unter der Initiative der Dachorganisation «La Caverna» zu einer touristisch attraktiven Kulturinstitution. Regelmässig finden Führungen und Anlässe statt.
Schon zu den Anfangszeiten des Schweizer Festungsbaus, der weltweit seinesgleichen suchen dürfte, wurde dem Simplon als Passübergang nach Italien eine militärische Bedeutung zugemessen. Bei der Eröffnung des Simplontunnels gab es bereits eine Sicherung des Nordportals, insbesondere mithilfe von Maschinengewehr-Stellungen. Das Maschinengewehr galt damals als bahnbrechend. Daher liess es sich der italienische König bei den Einweihungsfeierlichkeiten auch nicht nehmen, die Schweizer Version dieser Wunderwaffe persönlich vorzuführen und sich dabei auch noch fotografieren zu lassen. Etwa zur gleichen Zeit begann man mit den Arbeiten am Fort Gondo, wo heute der Stockalper-Weg hindurchführt und einen interessanten Einblick in diese gebunkerte Sperrstellung erlaubt, die später in Ergänzung zu den Maschinengewehren auch mit Panzerabwehrkanonen ausgerüstet wurde. Den eigentlichen Schwerpunkt des Abwehrdispositivs am Simplon bildete aber das Artilleriewerk Naters im Zweiten Weltkrieg. Die Kanonen dieses Artilleriewerks konnten jeden Punkt im Simplongebiet unter Feuer nehmen. Ausserdem hätten weitere Geschütze mit kleinerem Kaliber und Reichweite Luftlandungen auf dem Brigerberg bekämpft. Die Mannschaft war über Monate versorgungsautonom und gleichzeitig geschützt vor Feindbeschuss. Die Festung verfügte über eine Nahverteidigung und galt damals als uneinnehmbar. Nach dem Ende des Kalten Krieges bestand für die Simplon-Festung und erst recht für deren teuren Unterhalt kein militärischer Bedarf mehr. Es ist sehr erfreulich, dass die Festung heute einen anderen Nutzungszweck hat und der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Reservationen können über das Verkehrsbüro Brig Simplon Tourismus vorgenommen werden.
Der Simplon
Die Geschichte von Brig-Glis ist sehr eng mit dem Simplon verbunden. Dieser internationale Alpenübergang entfaltete seine Rolle von Brig aus dank der Initiative von Kaspar Stockalper (1609 – 1691). Er baute den Säumerweg auf und sicherte ihn mit zahlreichen Susten ab, von denen die beiden Stockalpertürme auf der Passhöhe und im Grenzort Gondo zeugen. Der Warenhandel stieg in dieser Zeit stark an. Stockalper beschäftigte in seinen zahlreichen Unternehmungen 3’000 Personen bei einer damaligen Bevölkerungszahl in Brig von 500. Später folgten die von Napoleon Bonaparte befohlene Heerstrasse (1805) und der Bau des damals längsten Eisenbahntunnels (1906).
Der Simplon als «Tor zum Süden» hat eine wechselhafte und spannende Geschichte hinter sich. Heute führt eine gute ausgebaute Nationalstrasse durch das landschaftlich interessante Gebiet. Der Simplon ist zweifellos einer der schönsten Alpenpässe und für die Brigerinnen und Briger ist er selbstverständlich der allerschönste. Dank zahlreicher Kunstbauten (Tunnel, Galerien, Brücken) kann der Simplon mit seiner stattlichen Höhe von 2005 m. ü. M. trotz des unwirtlichen Klimas ganzjährig befahren werden. Neben der Strasse ist der Simplon auch über den historischen Stockalperweg begehbar, ein Erlebnis, das mit dem Besuch zahlreicher Gaststätten und Sehenswürdigkeiten verbunden werden kann. Zu erwähnen sind insbesondere das einst bewohnte und in Liedern besungene Gantertal, das Hospiz der Mönche vom Grossen St. Bernhard, das alte Gasthaus im besonders anmutigen Simplon Dorf, die alte napoleonische Kaserne mit einer Dauerausstellung zum Simplon und das Grenzdorf Gondo, welches sich nach einem verheerenden Unwetter im Jahr 2000 in neuem Glanz zeigt. Ein Glanz, der fast ein bisschen an die beliebten «Vreneli»-Goldmünzen erinnert, die aus dem Gold der dortigen Minen geprägt worden sind.
Der Simplonadler
Das Wahrzeichen des Simplons ist sein aus Felsquadern hergestellter Adler. Er thront auf der Passhöhe mit seinen scharfen, gegen Süden gerichteten Augen. Erbaut wurde er im Zweiten Weltkrieg von den Grenztruppen als Symbol für die Wachsamkeit und den Abwehrwillen der Armee gegen das gewaltsame Eindringen von Süden her. Der Pass erlangte in den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts militärische Bedeutung. Zur Infrastruktur gehören insbesondere zwei Festungsanlagen, ein Fort als Sperrstellung im Engnis der Gondoschlucht und die Simplon-Festung als Artillerie-Werk auf Gebiet der Gemeinde Naters. Von hier aus konnte das gesamte Simplongebiet unter Beschuss genommen werden.
Beide Weltkriege verlangten ihren Zoll ab. Auch wenn die Schweiz glücklicherweise von kriegerischen Handlungen verschont blieb, mussten die Grenztruppen in beiden Weltkriegen mobilisiert werden. Als Erinnerung daran bleibt uns der Simplonadler erhalten, ein besonders prägnanter Zeitzeuge und für alle gut sichtbar, die den Pass befahren. Die Armee errichtete mehrere gebunkerte Sperrstellungen und hielt ab 1942 mit der Simplon-Festung in Naters eine schwere Unterstützungswaffe in der Hand im Kampf gegen einen möglichen feindlichen Stoss ins Wallis und damit in die Schweiz. Bereits im Ersten Weltkrieg wurde das Fort Gondo bezogen, welches über mehrere Maschinengewehr-Stellungen und später auch über Panzerabwehrkanonen verfügte. Die dunklen Wolken der Kriegsgefahr haben sich inzwischen verzogen und die meisten der noch existierenden Bauwerke aus jener Zeit sind heute zivil nutzbar. Geblieben sind auch der Simplonadler und ein Übungsschiessplatz der Schweizer Armee für die mechanisierte Artillerie.
Der Simplontunnel
Der Simpontunnel war bei seiner Eröffnung im Jahr 1906 der längste Eisenbahndurchstich der Welt. Er stellte damit seinen Rivalen «Gotthard» in den Schatten. Zunächst einspurig gebaut, folgte 1921 eine zweite Röhre. Der Simplontunnel katapultierte Brig in das Eisenbahnzeitalter. Die «Belle Epoque» vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs erreichte Brig mit einem stark anwachsenden Tourismus und mit einem Bauboom, der alles bisher Bekannte übertraf. Brig wurde dank des Simplontunnels zum «Mekka des Oberwallis», wie es der Hotelier und Nationalrat Dr. Alexander Seiler in seiner Eigenschaft als erster Vorsitzender der Fastnachtsgesellschaft «Türkenbund» an deren Gründungsversammlung im Jahr 1903 ausdrückte.
Der Simplon war für das europäische Bahnnetz von entscheidender Bedeutung. Er ermöglichte eine direkte Verbindung von London und Paris nach Istanbul und später sogar bis nach Bagdad. Okzident und Orient wurden dadurch verbunden, und Brig wähnte sich mittendrin. Der luxuriöse «Orientexpress» fuhr auf dieser Strecke und animierte Agatha Christie zu ihrem Kriminalroman «Mord im Orientexpress», natürlich mit Hercule Poirot in der Hauptrolle. Der Bau des Tunnels war kein leichtes Unterfangen, die Arbeit streng und gefährlich. Tausende von italienischen Gastarbeitern bezogen auf beiden Seiten des Simplons ihre ärmlichen Quartiere. In Naters entstand eine Siedlung, wo bald mehr Arbeiter wohnten als Einheimische. Es gab Konflikte, die in einem Streik und – auf Erlass des Briger Präfekten hin – gar in einem Truppenaufgebot gipfelten. Im Tunnelspital versorgte Dr. Pometta die verletzten Arbeiter und konnte wenigstens erreichen, dass bei den Bohrungen im Tunnel Wasser zur Eindämmung der Staubentwicklung eingesetzt wurde, welche die Lungenerkrankung Silikose verursachen konnte. Das damalige Spital wird heute von der evangelisch-reformierten Kirche als Gotteshaus benutzt. Ein neues Spital entstand 1908, und zwar wiederum wegen des Baus eines Bahntunnels: des Lötschbergtunnels.
Das Stockalperschloss
Das Stockalperschloss ist das Wahrzeichen der Stadt Brig und der grösste profane Barockbau der Schweiz. Erbaut im 17. Jahrhundert von Kaspar Stockalper (1609 – 1691), bildet das Schloss zusammen mit dem angrenzenden Wohnhaus der Familie Stockalper eine beachtliche Palastanlage, welcher auch ein Garten von 13’000 m2 Fläche angehört. 1948 hat die Gemeinde von der Familie Stockalper die unter Denkmalschutz stehende Liegenschaft erwerben können. In den Folgejahren wurde sie mit Hilfe der Schweizerischen Stiftung für das Stockalperschloss saniert und für die heutige Nutzung insbesondere als Verwaltungs- und Gerichtsgebäude zur Verfügung gestellt.
Das Stockalperschloss besticht durch eine eigenartige und in hohem Masse repräsentative Gestaltung. Markant sind die drei Türme, nach den drei Weisen aus dem Morgenland namens Kaspar (der Erbauer), Melchior und Balthasar bezeichnet – eine der vielen sichtbaren Dreiteilungen, die den Grossen Stockalper in Anlehnung an die Trinität ein Leben lang begleiteten. Der Hof, umgeben von eigens dafür gebauten Arkadengängen, wirkt filigran und im Gesamtbild mit den drei Türmen mächtig zugleich. Ergänzt wird die Schlossanlage mit dem Stockalpergarten, der 2002 nach Plänen von Prof. Kienast und ganz im Sinn der Stockalperschen Dreiteilung einen begehbaren Ziergarten, ein Pommarium und einen Rebberg umfasst, dessen Trauben jährlich gekeltert werden. In der Schlosskapelle zu Ehren der Heiligen Drei Könige wird an deren Namenstag eigens eine Messe gelesen. Das Schloss beherbergt auch eine interessante Dauerausstellung («Passage Simplon»), welche die eng mit dem Pass verbundene Geschichte der Stadt wiedergibt.
Der Türkenbund
Der «Türkenbund» ist in Brig nicht etwa ein gleichnamiges Liliengewächs, sondern eine Fastnachtsgesellschaft, und zwar eine der besonderen Art. Die Gründung fand vor dem Hintergrund einer politischen Auseinandersetzung statt. Der damalige Briger Nationalrat Dr. Alexander Seiler scherte aus der Walliser Allianz aus und stellte sich auf die Seite der Berner, welche sich im Variantenstreit für eine Bahnverbindung ins Wallis für den Lötschberg, und nicht für den Wildstrubel, einsetzten. Daraufhin warf ihm der in Visp erscheinende «Walliser Bote» Verrat vor mit der Bemerkung, Brig müsse nicht meinen, das Mekka des Oberwallis zu sein. Dr. Alexander Seiler nahm den Fehdehandschuh auf und gründete mit seinen Getreuen am 6. Januar 1903 den Türkenbund. Seither ist und bleibt Brig das Mekka des Oberwallis, was die Mitglieder des Türkenbundes bis heute jedes Jahr zur Feier der Nationalversammlung am Tag der Heiligen Drei Könige im Brustton der Überzeugung bestätigen.
Dr. Alexander Seiler scheint ein Bewunderer des damals sehr fernen Orients gewesen zu sein. Das «Osmanische Reich» der Türken galt zwar als «kranker Mann am Bosporus»; trotzdem zollte Seiler diesem Land grosse Bewunderung. Bei der Gründung erwies sich die Unterstellung, dass sich die Briger Fastnachtsgesellschaft über die Türkei und den Islam lustig machen würde, als vollkommen falsch; damals wie heute ist genau das Gegenteil der Fall. Mit dem Türkenbund wollte Dr. Alexander Seiler nicht nur seine politischen Vorstellungen verwirklichen und dem Namen Brig als «Mekka» Gewicht verleihen, sondern gleichzeitig den Kampf gegen «Trägheit und Intoleranz» führen, und zwar nicht in der Türkei, sondern im Oberwallis gegen viele engstirnigen und rückständigen Bürger, die sich in ihrem ängstlichen Konservatismus gegen jeden Fortschritt und damit gegen eine bessere wirtschaftliche Zukunft wehrten. Im gleichen Artikel des «Walliser Boten», in welchem Dr. Alexander Seiler für seine Unterstützung der Lötschberg-Variante gerügt wird, findet sich auch die Frage, ob Brig denn überhaupt noch als katholisch bezeichnet werden könne, zumal in der Druckerei des «Briger Anzeigers» ein Protestant arbeite! Dem Denken und Handeln eines Dr. Alexander Seilers kann man heutzutage vor dem Hintergrund solcher blödsinniger Aussagen nur applaudieren und dem Türkenbund wünschen, dass er weiterhin seinen Kampf gegen «Trägheit und Intoleranz» mit viel Humor führt. Und zwar nicht nur an der Fastnacht, wo die Gesellschaft für die Durchführung des «Kasbah-Festes» verantwortlich zeichnet.
Die Unwetterkatastrophe
1993 trat die Saltina, ein Bach aus dem Simplongebiet, der in Brig in die Rhone mündet, über die Ufer und verursachte damit eine der grössten Unwetterkatastrophen der Schweiz. Die «Springende» (lat. saltare) führte dabei Unmengen von Geröll mit, welches sich in der Folge in der gesamten Innenstadt ablagerte und bis auf Erdgeschosshöhe unzählige Gebäude und deren Einrichtungen beschädigte. Im Areal des Bahnhofs und des Rhonesandquartiers bildete sich durch das gestaute Wasser eine skurrile Seelandschaft, die mit Booten befahren werden musste. Zwei Todesopfer waren zu beklagen; angesichts des gewaltigen Naturausbruchs hätten es noch weit mehr sein können. Seither erinnert sich Brig-Glis jedes Jahr am 24. September mit einem Gedenkgottesdienst an das tragische Ereignis.
Die Überschwemmung traf Brig-Glis unerwartet, lag es doch mehr als 70 Jahre zurück, als die Saltina letztmals ihre unbändige Kraft spüren liess. Rund ein Jahr lang dauerten die Räumungs- und Instandstellungsarbeiten, die von einer grossen schweizweiten Solidarität unterstützt wurden. Das Ergebnis ist unter anderem eine neu gestaltete Innenstadt, die mit Ausnahme der alten Burgschaft schwer beschädigt worden war. Gleichzeitig ergriff man die Gelegenheit, die Zone um den Stadtplatz massgeblich zu vergrössern und verkehrsfrei zu gestalten; heute ist dieser Bereich stark frequentiert. Regelmässig finden hier Veranstaltungen aller Art statt und der wöchentliche Bauernmarkt am Samstag ist nicht mehr vom Stadtbild wegzudenken. Über die Saltina wurde eine neue Brücke gespannt, die mittels einem hydraulischen System durch das Eigengewicht des Wassers angehoben werden kann. Die innovative Brücke schützt seither zusammen mit einer Reihe von weiteren Hochwasserschutzmassnahmen das Siedlungsgebiet von Brig-Glis.